Gentrifizierungskritik in der Street Art: der irRitierende 100.000 Tonnen Amazon-Tower in Friedrichshain

Danger Series irritation - Amazon Tower Jean Peut-être und Andy Leuenberger Street Art Berlin Friedrichshain
Danger Series irritation - Amazon Tower Jean Peut-être und Andy Leuenberger Street Art Berlin Friedrichshain

… ein gentrifizierungskritisches Statement als Paste-up von Andy Leuenberger und Jean Peut-être:

irritation - Jean Peut-être

Der sogenannte Amazon-Tower in Berlin Friedrichshain (offiziell „EDGE East Side Berlin“) als künstlerische Interpretation der vorherrschenden Verhältnisse auf ein Poster gedruckt und eine Mauer geklebt von Künstler Andy Leuenberger. Mit einem Kommentar von Jean Peut-être:

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Das Poster von Leuenberger ist Teil der Serie „The Danger Series“, mit der der Künstler Urbanisierung kritisch hinterfragt. Über allem tanzt der Tod: „The Danse Macabre or Dance of Death, is an artistic genre of the Late Middle Ages on the universality of death: no matter one’s station in life, the Dance of Death unites all.“

Der Instagram-Beitrag zu „The Danger Series“

Ein Monstrum aus Stahlbeton und Glas als Gefahr für Friedrichshain

Mitten in Friedrichshain wuchs dieser umstrittene Turm seit seiner endgültigen Baugenehmigung Ende 2019 Meter um Meter in die Höhe. Mit insgsamt 142 Meter überragt dieser gigantische Klotz aus 100.000 Tonnen Beton mitsamt seinen gigantischen Glasfassaden alles um ihn herum. 2023 wurde er fertiggestellt.

Die Proteste der Friedrichshainer:innen gegen die Ansiedlung eines der unsozialsten Unternehmen der Welt haben nichts gebracht. Das Baumonstrum steht. Die Wut und Ohnmacht über die bestehenden Machtverhältnisse verdeutlicht das Street Art Werk von Andy Leuenberger auf kreative künstlerische Weise:

Der bedrohlich wirkende Turm, hinter dessen Glasfassade eine böse dreinblickende Fratze hervorschaut, wird von einem Skelett – dem Tod? – erklommen, das mit einer Flasche auf das Bauwerk einschlagen will. Um den Turm herum fliegen Drohnen, die das Gebäude und das scheinbar übermächtige „Böse“, das sich hinter der Fassade verbirgt, zu bewachen scheinen. Im Hintergrund Zeichen des Widerstands und des Protests: Fahnen in Schwarz und Rot gehen fast unter angesichts des alles überragenden Baumonstrums. Am Horizont hinter dem Alex und dem Frankfurter Tor brennt es. Friedrichshain steht auf den Barrikaden gegen das Monstrum aus Beton, Stahl und Glas.

Ja, ganz Friedrichshain ist irritiert. Was hier baulich passiert, ändert so ziemlich alles, was bisher war. Dieses Gebäude ist nur eines von vielen, das die Gentrifizierung in Berlin vorantreibt. Es ist allerdings das krasseste und das größte. Und der Hauptmieter Amazon. Ausgerechnet. Im linken Friedrichshain. Der Amazon Tower ist für eingesessene Friedrichshainer:innen nicht nur ein Bauwerk, das das Stadtbild verschandelt. Es ist das in Beton, Stahl und Glas gebaute Symbol für menschenverachtenden, rücksichtslosen Turbokapitalismus oder Raubtierkapitalismus.

Die Profite, die dieses Gebäude bringt, fließen u.a. in die Pensionen von bayerischen Beamt:innen. Die Leidtragenden sind die Menschen vor Ort, die Friedrichshainer:innen. Für sie wird alles teurer und für immer mehr unbezahlbar. Diejenigen, die sich das alles hier nicht mehr leisten können, wurden und werden verdrängt. Gentrifizierung in Friedrichshain im Turbogang.

Gewerbemieteinnahmen von Amazon finanzieren Pensionen für bayerische Beamte und Beamtinnen

Eigentümer des Edge East Side Towers sind Allianz Real Estate und Universal-Investment. Letztere verwaltet die Kapitalanlagen der Bayerischen Versorgungskammer, eine der größten institutionellen Anleger:innen Europas. 2022 wurde hierfür die Kapitalverwaltungsgesellschaft UI BVK KVG gegründet.

Mit der Investition in den Amazon-Tower und dessen Einnahmen aus Gewerbemieten werden die Pensionen bayerischer Beamte und Beamtinnen mitfinanziert. Den Preis dafür zahlen die Menschen hier vor Ort in Friedrichshain.

Ihr Kiez wird durch diese Immobilien transformiert zu einem Stadtgebiet, in dem ansässige Unternehmen und Gewerbe mit Tech-Riesen wie Amazon konkurrieren müssen. Diese Unternehmen ziehen immer mehr höher gebildete und besser verdienende neue Bewohner:innen in die Stadt, die wiederum mit den ansässigen Bewohner:innen um den viel zu knappen Wohnraum konkurrieren.

Eine Folge ist die Verdrängung der sozial schwächeren Mieter:innen von Gewerbe- und Wohnimmobilien.

Kritik: Gentrifizierung und Verdrängung der sozial Schwächsten im Kiez zugunsten bayerischer Pensionäre

Berlin hat seit Jahrzehnten ein massives Problem mit Gentrifizierung, die eine Vedrängung der Bewohner:innen und Gewerbetreibende aufgrund ausufernder Boden- und Immobilienspekulationen zur Folge hat.

Wirksame politische Maßnahmen zum Schutz der Anwohner:innen vor Verdrängung durch Mietenexplosion wie der Mietendeckel wurden vom Verfassungsgericht gekippt und der Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne politisch verschleppt.

Es profitieren immer die Anleger:innen. Verlierer:innen sind die Mieter:innen von Wohn- und Gewerbeimmoblien, die diesen ungezügelten, turbokapitalistischen Immobilienspekulation hilflos und schutzlos ausgeliefert sind.

Artikel auf tagesspiegel.de: „Amazon werde mit mehr als 3000 gut verdienenden Angestellten in dem 35-stöckigen Hochhaus die Gentrifizierung in der Innenstadt und die Massensammlung von Daten vorantreiben, kritisierten die Aktivisten von „Face2Face“.“

Wikipedia Artikel über Edge East Side Tower

Andy Leuenberger auf Instagram & andyleuenberger.com

Jean Peut-être auf Instagram & 10h23.net